BIODYNAMIE - Biodynamischer Weinbau


"Der Mond, das Kuhhorn und der Baldrian"


Unter diesem Titel habe ich einen Vortrag für den Arbeitskreis Ökologie des VDP auf dem Weingut Ökonomierat Rebholz gehalten.

Hier eine Zusammenfassung:

Biodynamischer Weinbau: das wird gerne verbunden mit einer Geheimlehre, bei der man im Mondenschein nachts Kuhhörner mit Mist vergräbt und in Holzbottichen mit Hexenbesen stundenlang Brennnesseljauche hundertmal linksherum und hundertmal rechtsherum rührt. Dies dann womöglich auch noch bei Neumond.

Doch was ist Biodynamischer Weinbau eigentlich? Worum handelt es sich wirklich. Ist es eine Geheimlehre - oder ein tief verankertes Wissen um die Schätze der Natur?
Warum wenden sich immer mehr renommierte Weingüter dieser Bewirtschaftungsweise zu? Handelt es sich nur um einen Modetrend?

Als erstes fällt uns dazu ein Name ein: Nicolas Joly, der Guru des biodynamischen Weinbaus. Als Internationaler Vordenker der Biodynamie hat er den Club "Renaissance des Appellations" gegründet (www.biodynamy.com). Die Weine seines Weinbergs „La Coulée de Serrant“ an der Loire gehören zum Größten, was es an Weißweinen gibt! Er hat 1997 ein Buch geschrieben „ Le vin – du ciel à la terre“. „Beseelter Wein“ lautet sein Titel in der deutschen Übersetzung. Ein ganz grundlegendes Buch über die biodynamische Denkweise. „Es versucht eine Brücke zu schlagen zwischen der sichtbaren quantitativen Welt, die unseren Sinnen zugänglich ist, und jener subtileren qualitativen Welt, aus der das Leben zu uns herüberkommt.“ So schreibt Joly.

Viele bezeichnen ihn auch heute noch als Spinner, denn sie verbinden die „Biodynamie“ mit Sektierertum, mit Sonderlingen, die selbstgestrickte Wollsocken in Sandalen tragen. Der Vorschriftenkanon im biodynamischen Weinbau, der auf den Anthroposophen Rudolf Steiner zurückgeht, klingt wunderlich, unwissenschaftlich und restriktiv. So darf Unkraut nur bei zunehmendem Mond gehackt und der Rebschnitt nur bei abnehmendem Mond getätigt werden. Doch Hobbygärtner wissen - spätestens seit sie nach Maria von Thuns Mondkalender arbeiten - dass vielleicht halt doch etwas dran ist an diesem „Aberglauben“.........
Doch abseits davon, sehen die Franzosen die Dinge wohl ein wenig unverkrampfter als wir: „Les Allemands, die wollen immer alles so perfekt machen“ (so der Winzer Patrick Meyer, von der Domaine Julien Meyer in Nothalten, Alsace). „So machen sie es auch mit der Biodynamik. Da wird studiert, da wird gerührt, da wird gelehrt, da wird theoretisiert - viel zu perfekt“. Dabei geht es in der Biodynamik um die Natur, vor allem eben auch um ein Gefühl für die Zusammenhänge der Natur, für die Pflanzen - ja auch für kosmische Einflüsse, wie um  Planetenkonstellationen und Mondphasen.

Dabei ist dieses Wissen um die besten Ernte- und Aussaatzeiten eigentlich ganz altes bäuerliches Wissen. Ganz selbstverständlich verinnerlicht in traditionellen Kulturen. Viele Winzer wenden dieses alte Wissen ihrer Väter und Vorväter heute noch an, ohne auch nur annähernd an Hokus Pokus zu glauben.

Und eben in Frankreich gibt es viele große renommierte Weingüter wie Romanée Conti, Chapoutier, Beaucastel und Kreydenweiss, die schon seit vielen Jahren nach den Regeln der Biodynamik ihre Weinberge bewirtschaften - ohne das groß aufs Etikett zu schreiben! In Deutschland sind es die Weingüter Wittmann in Rheinhessen sowie Bürklin-Wolf und Christmann in der Pfalz. Steffen Christmann ist erst kürzlich zum Präsident des Verbands Deutscher Prädikatsweingüter (VDP) gewählt worden. Ein Verband, der wie die renommierten französischen Domänen, stets darauf bedacht ist, Weine von größtmöglicher Qualität zu produzieren und dabei den besonderen Charakter der Weine, der Domäne und vor allem des Terroirs herauszuarbeiten. Eine ganz selbstverständliche Folge aus einer Bewirtschaftungsweise, die nur ein Ziel hat, nämlich große Weine zu erzeugen, deren Lagentypizität wieder schmeckbar ist. Weine mit einer Tiefe und Aromenfülle, wie sie nur auf einem lebendigen Boden wachsen können. Einem gesunden Boden voller Lebewesen, mit einer Vielfalt von Kräutern und Blüten, die den Weinstöcken zu gesundem Wachstum verhelfen.

Manche Winzer wie Patrick Meyer von der Domaine Julien Meyer aus Nothalten im Elsass beobachten sogar, dass sich ihre Weine von Jahr zu Jahr verändern, quasi „zurückentwickeln“. Als ob sie ein genetisches Gedächtnis hätten und sich zurück erinnern an ihr Aroma der Vergangenheit, als die Weinberge noch traditionell bewirtschaftet wurden.  Eine Erinnerung an die Zeit, als die Weinberge noch gehackt, statt durchgepflügt wurden. Als Handlese ganz selbstverständlich war und chemische Pflanzenschutzmittel noch völlig unbekannt.

Natürlich waren diese vergangenen Zeiten auch mühselig und oftmals armselig. Man wünscht sie sich nicht mehr zurück, zumal es in schlechten Jahren auch viele Missernten und saure Weine gab. In den Kellern kippten die Weine schnell um und wurden zu Essig. Als Gegenmittel wurden den Weinen damals Kräuter zugesetzt. Kräuter mit ätherischen Ölen und Tanninen. Kräuterweine gibt es heute noch als Heilmittel, im Piemont eine alte Tradition. Doch auch zu früheren Zeiten schafften es renommierte Weingüter großartige Weine hervorzubringen. So mancher deutscher Riesling wurde Anfang des letzten Jahrhunderts zu astronomischen Preisen gehandelt.

Ist der Biodynamische Weinbau ein Schritt zurück in die Vergangenheit – oder einfach nur ein gewaltiger Schritt nach vorn in eine Zukunft, wo das Lebewesen Boden und der Rebstock wieder Beachtung findet? Nicht als Produzent einförmiger, auf den jeweiligen Modetrend hin entwickelter Weine, die mit der „Spin Column“ heute sogar in ihre Bestandteile getrennt und wieder neu zusammen gesetzt werden können, sondern als individuelles Produkt, das den Charakter der Landschaft und ihre Kultur wiederspiegelt.
Der Begriff „Terroir“ kommt hier ins Spiel. Der Boden, die Standortfaktoren... wie Klima, Hangausrichtung und Sonneneinstrahlung... Aber auch die Persönlichkeit des Winzers und der Winzerin, wichtig: auch die Kultur und Geschichte der Landschaft haben Einfluss auf die Charakteristik eines Weines.
Nicolas Joly schreibt „der Weinstock ist wie keine andere Pflanze in der Lage, die für jedes einzelne Terroir spezifischen Elemente zu assimilieren. Und Tino Seiwert, von Pinard de Picard, wie kein anderer ein Kenner der französischen Weine, schreibt sogar, dass die Aromen der Kräuter in den Außenhäuten der Beeren gespeichert sind.


Dieser Gedanke ist gar nicht so abwegig, denn schließlich sind die Phenole des Weines und die Flavonoide der Kräuter in ihrer chemischen Struktur sehr ähnlich, um nicht zu sagen, gleich. Man spricht hier auch von sekundären Pflanzenstoffen, Radikalfängern und Krebsvorbeugern. Und zu dieser chemischen Gruppe gehören auch die Tannine, die in den Schalen, Kernen und Beerenhäuten enthalten sind und für den trockenen, ja fast adstringierenden Geschmack mancher Weine sorgen.

Ursprünglich wegen ihres bitteren Geschmacks von der Pflanze als Abwehr gegen Pflanzenfresser erfunden, nutzen sie uns als Heilmittel gegen Bakterien und Pilze. Sozusagen als natürliches Antibiotikum.

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